Qualitätsprädiktive CAM-Simulation für die spanende Fertigung

Ein Großteil der in Deutschland produzierenden kleinen- und mittelständischen Unternehmen (KMU) sieht sich, angesichts immer gesättigterer Märkte und infolge der Globalisierung, einem hohen Kostendruck ausgesetzt. Die Folgen sind neben kürzeren Produktlebenszyklen, eine immer feinere Aufteilung des Marktes und eine erhöhte Anzahl von Produktvarianten. Dies hat immer kleiner werdend Stückzahlen je Produktvariante zur Konsequenz. Um Kosten in der Produktion zu minimieren, muss daher eine fehlerfreie Herstellung des ersten Bauteils eine Zielgröße sein. In der Literatur wird dies auch als „First-Time-Right“-Prinzip bezeichnet.

Ferner stehen KMU auf Grund des demografischen Wandels vor neuen Herausforderungen. Diese beinhalten neben der Alterung der Belegschaft auch ein Ringen um junge, hochqualifizierte Fachkräfte. Obwohl die damit verbundenen strukturellen Veränderungen in der Regel alle in Deutschland produzierenden Unternehmen betreffen, fehlen derzeit insbesondere kleinen- und mittelständischen Betrieben die notwendigen Ressourcen für eine langfristige Personalpolitik. Hinzukommt, dass technologische Kernkompetenzen in KMU überwiegend personengebunden sind. Scheidet ein Experte aus einem KMU aus, so können die über mehrere Jahre gewonnenen Kompetenzen verloren gehen. Dies betrifft vor allem die Arbeitsvorbereitung und CAM-Planung, da hier häufig erfahrene Mitarbeiter eingesetzt werden. Damit KMU in Deutschland auch zukünftig wettbewerbsfähig produzieren können, muss daher ein geeigneter Wissenstransfer zwischen den einzelnen Generationen stattfinden. Um diesen Problemstellungen zu begegnen sind deshalb die projektbegleitenden KMU-Industriepartner mit einer gemeinsamen Forschungsfrage an die FVP und das Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen University herangetreten:

„Wie und mit welcher Präzision ist es bereits im Stadium der CAM-Planung möglich, die Bauteilqualität hinsichtlich einzelner Form- und Lagetoleranzen nach ISO 1101 vorherzusagen?“

Hierbei wurden nachträglich folgende Zusätze zur Forschungsfrage ergänzt:

a) „Wie lassen sich darüber hinaus systematische und zufällige Einflussfaktoren (z. B. durch Werkstück, Maschine, Spannmittel, Werkzeug, Umgebung) und deren Anteil am Erfüllungsgrad einzelner Toleranzvorgaben darstellen?“

b) „Wie ist eine Lösung zu gestalten, damit sie intuitiv und ohne tiefgreifendes Expertenwissen von CAM-Planern eingerichtet und eingesetzt werden kann?“

Im Rahmen der Grundlagenforschung sind bereits unzählige Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge der spanenden Bearbeitung untersucht und beschrieben worden. Obwohl diese meist wertvolle Puzzleteile zur Beantwortung der gestellten Forschungsfrage darstellen, ist eine direkte und fallgerechte Übertragung auf den Erfüllungsgrad individueller Bauteiltoleranzen nach DIN ISO1101 kaum möglich.

Durch die Virtualisierung von Maschinen, Maschinenkomponenten und Zerspanprozessen wurden geeignete Puzzleteile erstmals identifiziert, generalisiert und kontextualisiert. So ist es hochqualifizierten Experten in der Maschinen- und Prozessauslegung aktuell möglich, maschinen- bzw. bauteilspezifische Kennwerte zu simulieren, die Aufschluss über Prozessstabilität, Oberflächenbeschaffenheit oder Zykluszeiten geben.

Ein Rückschluss auf den Erfüllungsgrad von Bauteiltoleranzen nach DIN ISO 8015 und DIN ISO 1101 ist nach derzeitigem Stand der Forschung und Entwicklung allerdings nicht möglich. Vor allem werden die Zusatzanforderungen a) und b) nicht erfüllt.

Ziele

Die Kernidee des Forschungsvorhabens besteht daher darin – im Sinne der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) – eine Brücke zwischen den Erkenntnissen der Grundlagenforschung und der wirtschaftlichen Anwendung bei spanend fertigenden KMU am Standort Deutschland zu schlagen, umso eine vom Expertenwissen unabhängigere CAM-Planung zu schaffen. Insbesondere soll den Unternehmen ermöglicht werden ihre Produktqualität entsprechend des Effectuation-Gedankens im hochdynamischen Fertigungsumfeld zu beherrschen. Hierfür wird eine Lösungsvorschrift erforscht, mit der sich die fallspezifische Wechselwirkung und der Einfluss von Werkstück, Maschine, Spannmittel, Werkzeug und Umgebung unter Berücksichtigung aktueller Randbedingungen abbilden lassen. Dem CAM-Planer soll so ermöglicht werden, bewusst einzelne Fehlerquellen zu minimieren, um so eine bestmögliche und fehlerfreie Fertigung des ersten Bauteils zu gewährleisten.

 

 

Angestrebtes Zielbild im Forschungsvorhaben QUAPS

Förderhinweis

Das IGF-Vorhaben QUAPS (AIF/IGF 19828 N ) der Forschungsvereinigung Programmiersprachen für Fertigungseinrichtungen (FVP) e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Der Förderzeitraum begann im Januar 2018 und endete im Dezember 2019.