M-TOPP - Machine-Tool Optimized Path and Process Planning: Berücksichtigung der Maschinendynamik bei der Werkzeugbahnplanung und Prozessauslegung zur Verbesserung des Bearbeitungsergebnisses

In der produzierenden Industrie müssen Produkte hohen Ansprüchen hinsichtlich ihrer Oberflächengüte genügen. Der allgemeine Trend hin zu einer wachsenden Produktin-dividualität im Bereich der spanenden Fertigungstechnik, beispielsweise im Werkzeug- und Formenbau, bedingt, dass langwierige Einfahr- und Optimierungsprozesse bei Kleinserien und Einzelstückfertigungen nicht wirtschaftlich durchführbar sind. Insbesondere bei der simultanen fünfachsigen Fräsbearbeitung führt eine Prozessoptimierung an der realen Maschine zu hohen Einfahrzeiten und Materialkosten. Eine zielsichere Fertigung von Gutteilen im ersten Versuch spart hier Kosten ein und verschafft gerade kleinen und mittelständischen Unternehmen auf dem internationalen Markt eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit. Um diese zu gewährleisten, ist eine zielsichere Auslegung von Fertigungsprozessen unabdingbar. Die zielsichere Prozessauslegung mit herkömmlichen CAx-Systemen erfordert in der Regel ein hohes Maß an Erfahrung, Expertenwissen sowie einen hohen Zeit- oder Personalaufwand. Hier besteht Bedarf an einfach zu bedienenden Lösungen zur detaillierten Prozessauslegung, die in kurzer Zeit mit geringem Personaleinsatz gute Ergebnisse erzielen.

Bild 1: Problemstellung bei der aktuellen Werkzeugpfadplanung

Die detaillierte Prozessauslegung findet in der Regel in der industriell etablierten CAD-CAM-NC-Prozesskette statt und basiert ausschließlich auf vorgegebenen Soll-Werten für Prozessparameter und der mathematisch-geometrischen Berechnung des Werk-zeugwegs auf Grundlage des CAD-Modells. Fehlende Kenntnis über das reale Maschinenverhalten werden bei der Prozessplanung und der Generierung des ma-schinenlesbaren NC-Code nicht berücksichtigt. Das resultierende Bearbeitungsergeb-nis weicht daher oftmals vom erwarteten Bearbeitungsergebnis ab (vgl. Bild 1).

Ursache dafür ist, dass die bei der Bahnplanung definierten Soll-Werte für Prozessparameter, wie beispielsweise vom CAM-System vorgegebenen Vorschübe, bei der Be-arbeitung auf der realen Maschine nicht in allen Punkten der Werkzeugbahn erreicht werden. Der vom CAM-System generierte NC-Code wird beim Bearbeitungsprozess von der Maschinensteuerung interpretiert und die berechneten Werkzeugbahnen im Rahmen der definierten Toleranzen möglichst mit den vorgegebenen Prozessparame-tern abgefahren. Die reale Maschinendynamik wie die Trägheit und Beschleunigungs-grenzen der Maschinenachsen wird bei der Werkzeugbahnberechnung nicht berück-sichtigt. Der von der Maschine tatsächlich gefahrene Werkzeugweg entspricht folglich-nicht exakt dem im CAM-System generierten Pfad.

Aus diesem Grunde kommen neben Prozess- und Maschinensimulationen auch NC-Simulationen zum Einsatz, um neben dem Erhöhen der Prognosefähigkeit eine pro-zessvorgelagerte Optimierung zu ermöglichen. Oftmals sind die im CAM-System inte-grierten NC-Simulationen unzulänglich und spiegeln nicht das reale Maschinen- und Steuerungsverhalten wieder. Funktionale Simulationen mit Steuerungsnachbildung liegen heute als isolierte Expertensysteme mit einer unübersichtlichen Vielzahl an Ein-stellparametern vor. Ein Einsatz dieser NC-Simulationen innerhalb der industriell etab-lierte CAD-CAM-NC-Prozesskette ist aufwändig und meist unpraktikabel. Hier besteht der Bedarf einer nahtlosen Eingliederung.

Existierende, funktionale NC-Simulationen mit Steuerungsnachbildung emulieren bereits heute spezifische Maschinensteuerungen und ihre Interpretationsalgorithmik zu-verlässig. Da gerade bei KMU verschiedene Kombinationen von Maschinentypen und Maschinensteuerungen im Einsatz sind, wird ein breiter Einsatz einer solchen NC-Si-mulation verhindert. Die Entwicklung einer allgemeingültigen NC-Simulation ist hier wünschenswert. Hierbei wird die Interpretationsalgorithmik der NC-Steuerung nicht ty-penspezifisch nachgebildet, sondern durch einen hinreichend genauen, allgemeingül-tigen Ansatz angenähert. Dadurch lässt sich die dieser Ansatz auf verschiedene Steu-erungstypen in den Grenzen einer hinreichend kleinen Toleranz anwenden. Eine all-gemeingültige Beschreibung von höherem Steuerungsverhalten, Interpretationsalgorithmik und Maschinendynamik durch einen Satz weniger Einstellparameter ist je-doch nicht trivial. Eine Adaption dieser Einstellparameter auf einen heterogenen Ma-schinenpark ist aufwändig und ineffizient. Hier besteht Bedarf an Adaptions- bzw. Ka-librierungsmethoden.
Mit Hilfe einer NC-Simulation wird das zu erwartende Bearbeitungsergebnis realitäts-nah prognostiziert. Auf dieser Grundlage wird der Prozess optimiert. Dies geschieht zum einen maschinenunabhängig durch Optimierung des NC-Codes. Hier werden die NC-Bahnen geglättet, fehlerhafte NC-Punkte eliminiert und eine weiche Vorschubän-derung angestrebt. Weiteres Optimierungspotential besteht hinsichtlich der Prozess-Konfiguration. Hier spielt beispielsweise die Aufspannsituation im Maschinenraum eine übergeordnete Rolle. Für das zu bearbeitende Werkstück können verschiedene Aufspannpositionen gewählt werden. Da das Dynamikverhalten der Bewegungsach-sen der Werkzeugmaschine über ihre Position hinweg variiert, können bei unterschied-lichen Aufspannsituationen aber gleich gewählten Prozessgrößen bei der CAM-Pla-nung unterschiedliche Bearbeitungsergebnisse erzielt werden. Hierzu sind bislang keine Regeln zur Optimierung des NC-Codes in Abhängigkeit der simulierten Prozess-bedingungen bekannt.Vor dem Hintergrund der beschriebenen Defizite besteht Bedarf an einer maschinen-optimierten Werkzeugbahn- und Prozessplanung (engl. Machine-tool Optimized Path and process Planning, kurz M-TOPP). Das Ziel des Vorhabens lautet daher:


Ziel des Forschungsvorhabens M-TOPP ist die Berücksichtigung maschinenspezifi-scher Einflussfaktoren direkt bei der Werkzeugbahnplanung, um ein verbessertes Be-arbeitungsergebnis im ersten Versuch zu erzielen.


Dies geschieht durch die Integration einer NC-Simulation mit Steuerungsnachbildung in die etablierte CAD-CAM-NC-Prozesskette und anschließender Optimierung der NC-Bahn in Abhängigkeit der simulierten Prozessbedingungen. Eine Anwendung auf einen heterogenen Maschinenpark wird durch die Entwicklung einer Kalibrierungsme-thode auf Basis von Referenzprozessen und Standartmaschinentests erreicht. Die NC-Simulation mit Steuerungsnachbildung wird hierdurch vom Expertentool zur Anwen-dersoftware. Resultat der maschinenoptimierten Werkzeugbahn- und Prozessplanung ist eine optimiert generierte Werkzeugbahn, die zu einem verbesserten Bearbeitungs-ergebnis im ersten Versuch führt (vgl. Bild 2).

Arbeitshypothese und Zielsetzung

Vor diesem Hintergrund zeigt Bild 2 das Zielbild des Vorhabens FlexPBF. Durch die Ermittlung von Geometriecharakteristika mithilfe empirisch erarbeiteter Regeln lässt sich ein Bauteil, das mittels LPBF gefertigt werden soll, virtuell in verschiedene Subbauteile (LPBF-Features) unterschiedlicher Geometrieklassen unterteilen. Die in einer Datenbank hinterlegten LPBF-Prozessparameter, die auf die Maximierung der Aufbaurate in Abhängigkeit von der Geometrieklasse abzielen, werden daraufhin automatisch den einzelnen Subbauteilen zugewiesen. Dies ermöglicht eine Steigerung der Aufbaurate durch eine gezielte Anpassung der Prozessparameter auf lokaler Ebene.

Bild 2: Umfang der maschinenoptimierten Werkzeugbahn- und Prozessplanung

Die Vernachlässigung maschinenbedingter Einflussfaktoren bei der detaillierten Prozessauslegung, explizit der Werkzeugbahnplanung (CAM-Planung), bedingt eine un-genaue Voraussage der erzielbaren Bearbeitungsqualität eines Produktes. Maschinenoptimierte Werkzeugbahn- und Prozessplanung verschafft kleinen und mittelständischen Unternehmen Wettbewerbsvorteile durch eine verringerte Zahl an Prozessoptimierungszyklen. Für diese wird zunächst die Prognosefähigkeit während der Werk-zeugbahnplanung verbessert. Im Anschluss wird die Fähigkeit zur Optimierung herge-stellt. Dies geschieht durch Betrachtung der maschinenspezifischen Einflussfaktoren Interpretationsalgorithmik der Maschinensteuerung, Dynamikgrenzen der Maschine und der Prozesskonfiguration.


Das Projektziel ist die Entwicklung eines Lösungsansatzes zur Nutzbarmachung maschinenoptimierter Werkzeugbahn- und Prozessplanung direkt in einer Anwender-Software zur detaillierten Prozessauslegung – dem CAD/CAM-System. Die Möglich-keit der schnellen Applikation auf verschiedene Werkzeugmaschinen wird durch ein-fache Kalibrierungsmethodne auf Basis von Refernzprozessen und Standardmaschi-nentests sichergestellt. Die bietet die Grundlage für eine valide Vorhersage und befä-higt zur Optimierung des Prozesses hinsichtlich maschinenbedingter Einflussfaktoren.

Förderhinweis

Das IGF-Vorhaben M-TOPP (22184 N) der Forschungsvereinigung Programmiersprachen für Fertigungseinrichtungen (FVP) e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Der Förderzeitraum begann im April 2022 und endete im September 2024.