LMDHybrid - Kombiniertes draht- und pulverbasierte Laserauftragschweißen zur Standmengenerhöhung verschleißbelasteter Werkzeuge

Die Lebensdauer technischer Bauteile und Werkzeuge wird maßgeblich durch ihre Korrosions- und Verschleißbeständigkeit bestimmt. Abrasiver Verschleiß zählt hierbei zu den häufigsten Gründen des Werkzeugversagens beziehungsweise des Funktionsverlustes. Obwohl Verschleiß in der überwiegenden Anzahl der Fälle nur die Werkzeugoberfläche betrifft, wird oftmals das ganze Bauteil ausgetauscht. Der auf Verschleiß zurückzuführende ökonomische Schaden ist somit immens und wird auf bis zu 7 % des Bruttosozialproduktes der Bundesrepublik Deutschland bzw. 10 % des Primärenergieverbrauches geschätzt. Die Reduktion des Verschleißes und die damit erzielbare Standzeiterhöhung von Werkzeugen nur um wenige Prozent sind somit ökonomisch bereits äußerst relevant und wünschenswert. In diesem Forschungsvorhaben soll dieses Ziel durch Verschleißschutzschichten aus Titankarbid (TiC)-verstärkten Stählen erreicht werden. Diese werden durch kombiniertes draht- und pulverbasiertes Laserauftragschweißen (Wire- and Powder-based Laser Metal Deposition, LMD-w+p) hergestellt (Abbildung 1). Die dabei zu lösende technische Problematik wird im Folgenden erläutert.

Abbildung 1: Schema des LMD w+p Proze sses (links) und Darstellung der Härte und Zähigkeitssteigerung durch Dispergieren von Hartphasenpulver im drahtförmigen Ausgangswerkstoff (rechts)

Eine Steigerung der Härte und Verschleißbeständigkeit wird bei Stählen durch das Dispergieren von Karbiden wie TiC und anderen Hartstoffen in der Matrix erreicht. Solche Werkstoffsysteme sind aufgrund ihrer thermomechanischen Eigenschaften als Verschleißschutzschichten für Werkzeuge geeignet. Eine Schwierigkeit ergibt sich bei der Auswahl der Schichtzusammensetzung hinsichtlich des eingebrachten Hartstoffanteils. Während eine hohe Konzentration an Karbiden nötig ist, um die erforderliche Verschleißbeständigkeit und Härte zu erreichen, bringt diese oft eine Verminderung der Schweißbarkeit mit sich. Insbesondere, wenn es sich beim Grundwerkstoff um einen hochlegierten Werkzeugstahl handelt, können in der Durchmischungszone unerwünschte metallurgische Reaktionen auftreten. Eine Martensitbildung und die damit einhergehende Versprödung in der Anbindungs- sowie Wärmeeinflusszone können sich negativ auf die makroskopischen mechanischen Eigenschaften des Schichtverbundes auswirken sowie zur Rissbildung führen. Durch die Einlagerung und teilweise An- und Auflösung von Karbiden in der Durchmischungszone kann dieser Effekt zusätzlich verstärkt werden. Bei dem im Vorhaben betrachteten TiC trägt das Lösen von Titan und Kohlenstoff zur Stabilisierung des Austenits/Ferrits bei. Fügt man dem Schweißzusatzwerkstoff einen hohen Anteil an Karbiden zu, wird der thermische Ausdehnungskoeffizient stark herabgesetzt. TiC beispielsweise weist einen thermischen Ausdehnungskoeffizienten von ca. 6 x 10-6 1/K auf und Stähle besitzen in der Regel thermische Ausdehnungskoeffizienten um die 12 x 10-6 1/K, je nach Legierung auch höher. Durch einen hohen Anteil an zugefügten Karbiden sinkt somit der thermische Ausdehnungskoeffizient der Beschichtung, was zu hohen thermisch induzierten Spannungen und letztendlich ebenfalls zur Rissbildung führen kann. Je höher der Füllgrad an Karbiden ist, desto höher sind die thermisch induzierten Spannungen im Verbund.

Aus diesen Gründen erscheint der Ansatz sinnvoll, gradierte Schichtsysteme (Functional Graded Materials – FGMs) zu betrachten. Durch die Verwendung eines geringen Karbidanteiles innerhalb der ersten Schichten kann eine gute Anbindung an den Grundwerkstoff mit geringen thermischen Spannungen sichergestellt werden. Darauf aufbauend ist es möglich, den Karbidanteil in den folgenden Schichten sukzessiv zu erhöhen. Dadurch wird an der Oberfläche ein hoher Füllgrad mit einer besonders hohen Härte erreicht und im gesamten Schichtverbund kann aufgrund einer Gradierung in den unteren Schichten eine erhöhte Zähigkeit erreicht werden. Mit dem im Projekt verwendeten LMD-w+p-Prozess ist durch die zugeführte Pulvermenge während des Beschichtungsprozesses die Einstellung eines Gradienten über die Schichten möglich. So werden die Werkstoffeigenschaften des Produktes aus Drahtwerkstoff und Pulver während des Fertigungsprozesses gezielt eingestellt. Daraus leitet sich die Fragestellung ab, wie die Schichten in Bezug auf Hartstoffanteil und Dicke ausgelegt und hergestellt werden müssen, um die erforderlichen Eigenschaften (hohe Härte an der Oberfläche, hohe Zähigkeit im Kern, geringe Eigenspannungen im Verbund) zu erreichen.

Zielsetzung und Vorgehensweise

Im Rahmen des Vorhabens LMDHybrid sollen daher Hybridmaterialien in Form gradierter Schichten aus TiC-verstärkten Stählen erforscht, mittels LMD-w+p hergestellt und auf verschleißbelasteten Umformwerkzeugen angewendet werden, um deren Standmengen zu erhöhen. Weiter soll betrachtet werden, wie eine Erschließung der entwickelten Technologie für KMU erzielt werden kann. Hierzu wird eine CAM-Planungsstrategie erarbeitet, die das Durchführen des Prozesses anlagenunabhängig an verschiedenen Bauteilgeometrien ermöglicht. Die Geometrien der im Projekt betrachteten Werkzeuge werden zu Beginn im projektbegleitenden Ausschuss gemeinsam von Unternehmen und Forschungspartnern festgelegt. Der Einsatz des LMD-w+p Prozess zum Auftragen von TiC-verstärkten Gradientenschichten erhöht die Standmengen von thermisch und abrasiv belasteten Werkzeugen um bis zu 10 %. Um diese Hypothese zu belegen, werden drei Forschungsschwerpunkte definiert.

Der erste Schwerpunkt ist werkstofforientiert und wird die wissensbasierte Auslegung der Schichten ermöglichen. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass die beim großflächigeren Beschichten von Oberflächen mit TiC-verstärkten Stählen auftretende Riss- und Porenbildung einen kritischen Faktor darstellt. In vielen Fällen ist nicht eindeutig nachvollziehbar, aus welchem Grund die Risse und Poren auftreten, da es sich zumeist um eine Überlagerung mehrerer Faktoren handelt. So kann beispielsweise unter Umständen nicht bestimmt werden, ob ein Riss durch makroskopische Eigenspannungen aufgrund unterschiedlicher Ausdehnungskoeffizienten von Substrat und Beschichtung oder durch zu große Mikroeigenspannungen aufgrund eines erhöhten Karbidanteils aufgetreten ist. Hirschvogel nennt als Grund für Verschleißerscheinungen neben Abrasion u. a. die hohen Temperaturen an der Werkzeugoberfläche (1200 °C Rohlingstemperatur) und daraus resultierende Temperaturgradienten in Kombination mit unerwünschten Übergangseffekten im Werkstoff. Das hier beschriebene Vorhaben setzt an diesem Punkt an: Ein grundlegendes Ziel ist es, durch die Gradierung Übergangseffekte zu minimieren und ein Abplatzen oder Reißen der Schichten zu verhindern. Durch werkstofftechnische Untersuchungen und Simulationen wird ein tiefergehendes Verständnis für die inneren Spannungen im Hybridmaterial in Abhängigkeit von der Menge der Titankarbidpartikel, der Schichtdicken und der Prozessstrategie erlangt. Ausgehend davon wird eine bessere Auslegbarkeit der gradierten Schichten erreicht.

Basierend auf diesem Wissen wird es möglich sein, im zweiten Forschungsschwerpunkt die Schichten mit dem LMD-w+p Prozess herzustellen. Dieser Schwerpunkt ist somit produktionstechnisch motiviert. Das maßgebliche Teilziel ist, die Pulvermenge über die Schichtdicke so zu variieren, dass ein optimierter Spannungszustand eingestellt wird. Dazu muss der Prozess dahingehend erforscht werden, dass die Schichtzusammensetzung und die resultierenden Eigenschaften in Abhängigkeit der gewählten Prozessparameter vorhersagbar sind. Ein weiteres Teilziel ist die Steigerung des an der Oberfläche erreichbaren TiC-Gehalts zur Härtesteigerung. An der Grenzfläche zum Grundwerkstoff soll durch einen geringeren Karbidgehalt weiterhin eine gute Anbindung sichergestellt werden. So kann das Problem, dass bei einer festgelegten Zusammensetzung ein Kompromiss zwischen ausreichender Härte und noch guter Schweißbarkeit gefunden werden muss, umgangen werden. Für den in dem Projekt angestrebten Karbidgehalt von bis zu 30 % an der Oberfläche werden in der Literatur Härten von etwa 1300 HV0,3 (für TiC in Fe-Matrix) angegeben [EMAM10]. Dies würde einen bemerkenswerten Fortschritt im Hinblick auf die an die Härte gekoppelte Verschleißbeständigkeit bedeuten, da für aktuelle Schichtsysteme aufgrund der limitierten Schweißbarkeit zumeist nur ein Karbidanteil von bis zu 15 % erreicht werden kann. Eine zusätzliche Optimierung der Wärmebehandlung kann Inhalt zukünftiger Forschungsarbeiten sein.

Nach erfolgreichem Abschluss der Werkstoffauslegung und Prozessentwicklung ist im dritten Forschungsschwerpunkt eine Übertragung des Prozesses auf 3D-Oberflächen realer Werkzeuge und deren Beschichtung vorgesehen. Hierzu wird eine anlagenunabhängige CAD/CAM-Strategie entwickelt. Diese Thematik ist daher softwareorientiert. Die Entwicklungen erfolgen unter Berücksichtigung des prozesstechnischen Wissens.

Insgesamt sollen die mittels LMD-w+p hergestellten hybriden Werkstoffe während des Projekts durch Kombination der werkstoff-, produktions- und softwaretechnischen Forschungen so weiterentwickelt werden, dass Demonstratoren von  beschichteten Werkzeugen bei den Industriepartnern anwendungsnah getestet werden können. Dies würde einem TRL von etwa 6-7 entsprechen. Die beteiligten Partner aus dem Projektbegleitenden Ausschuss (PA) gehen davon aus, dass durch die in dem Projekt angestrebten Entwicklungen die Standmengen von Werkzeugen in relevantem Maße erhöht werden können.

Förderhinweis

Das IGF-Vorhaben LMDHybrid  (21667N) der Forschungsvereinigung Programmiersprachen für Fertigungseinrichtungen (FVP) e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Der Förderzeitraum begann im März 2021 und endet im Februar 2023.